Im vergangenen Schuljahr zeigte sich mehrfach unser besonderer Draht nach oben zur ISS. Bei einem Besuch im ESERO_DE Hauptquartier anlässlich des in-flight calls mit Luca Parmitano konnte ich einen AstroPi ausprobieren und hatte sofort zwei SchülerInnen im Kopf, die daran gefallen finden könnten.
AstroPi – Challenge
Auf der ISS gibt es zwei Raspberry Pis – Ed & Izzy – die für Experimente von SchülerInnen zur Verfügung stehen. Beide sind identisch konfiguriert, unterscheiden sich aber in ihrer Hardware: Ed hat eine normale Kamera, die auf das innere der ISS gerichtet ist, Izzy besitzt eine Infrarot -Kamera (NoIr), die aus einem Fenster auf die Erde schaut. Jedes Jahr veranstaltet die ESA in Kooperation mit der Raspberry Pi Foundation die AstroPi – Challenge. Schirmherr war dieses Jahr ein gewisser Luca Parmitano.
Die Challenge teilt sich in zwei Altersbereiche auf: Für SchülerInnen-Teams bis 14 Jahre bietet MissionZero die Möglichkeit ein kleines in Python programmiertes Programm an Bord der ISS für je 30 Sekunden im Weltall laufen zu lassen. Die SchülerInnen erhalten anschließend eine Urkunde mit dem genauen Zeitstempel und dem Ort der ISS bei ihrer Programmlaufzeit. Besser lässt sich wohl kaum für Informatik im Kontext von Weltraum begeistern!
Für SchülerInnen zwischen 11 & 19 Jahren steht die Mission SpaceLab offen. Dieser folgt dem Ablauf eines echten Forschungsvorhabens im All: Konzeption und Planung eines Experiments, Programmierung und Testung des Experiments auf der Erde, Review durch die ESA, Experimentierzeit im Weltall und abschließende Auswertung der Daten zur Erstellung eines Forschungsberichts. Dieses Jahr bewarben sich 545 Teams aus allen ESA-Mitgliedsstaaten, von denen 423 Phase 2 und schließlich 208 Phase 3 & 4 erreichten. Die Auswertung der Forschungsberichte seitens der ESA & Raspberry Pi Foundation läuft gegenwärtig, Covid19-verzögert, noch.
Nach der Planungsphase (Phase 1) erhalten alle ausgewählten Teams kostenlos ein identisches AstroPi-Set bestehend aus einem konfiguriertem RaspberryPi, SenseHat, Kamera- und Infrarot-Kamera-Modul. Außerdem beinhaltet das Set eine Testumgebung mit der Konfiguration der AstroPis Ed & Izzy auf der ISS. Teams, die den „flight status“ erreichen, haben die Möglichkeiten drei Stunden ein eigenes Experiment durchzuführen. Die gesammelten Daten werden nach der Kampagne auf die Erde transferiert und an die Teams verteilt. Diese analysieren ihr Experiment und erstellen ihren (kurzen) Forschungsbericht. Alle Teams erhalten eine Teilnahmeurkunde und die zehn besten werden zusätzlich als Gewinner benannt und erhalten die Möglichkeit zu einer Videokonferenz mit einem ESA-Astronauten.
Unser Experiment – Live-Plant-Healthy-Detector
Die beiden SchülerInnen Lara Heinecke und Manuel Kollus waren nach meiner Rückkehr aus Bochum vollauf begeistert von der Idee ein Experiment im Weltall durchzuführen. Durch unseren EarthDay und SpaceDay waren sie zudem für Themen des Umweltschutzes und der Exploration des Weltalls sehr aufgeschlossen:
„Schließlich ist dieses auch für uns ein einmaliges Ereignis, dass unser Python Quellcode auf der Internationalen-Raumstation (ISS) ausgeführt wird.“
Lara Heinecke
Im Rahmen des Informatik-Unterrichts, der AG Robotik und unzähligen freiwilligen Zusatzstunden am Freitagnachmittag entwickelten sie die Idee eines Detectors für Chlorophyll – der Live-Plant-Healthy-Detector für die niedrige Umlaufbahn. Beim Fall der ISS um die Erde nimmt die NoIr-Kamera alle 10 Sekunden ein Bild auf und der AstroPi analysiert es, um zu überprüfen, wo Pflanzen sind und wie gesund sie sind. Mit dessen Hilfe könnte man jetzt die Flora auf der Erde, deren Biomasse und deren Veränderungen durch den Klimawandel, Umweltverschmutzung und die Abholzung des Regenwalds kartografieren und messen. Wenn wir wissen, wo die Flora schrumpft, können wir nach den Gründen dafür suchen und das hoffentlich ändern, denn ohne eine gesunde Flora hat die Menschheit keine Zukunft auf dem Planeten Erde!
In naher Zukunft könnte der Pflanzen-Detector Teil von Raumsonden zu Exoplaneten sein. Neben organischen Gasen wie Methan, Sauerstoff und Kohlendioxid sollten wir nach dem Chlorophyll der Pflanzen suchen, um Leben außerhalb unserer Erde nachzuweisen.
In 300 Jahren könnte unser Programm ein Teil der Scans von Neelix, dem Chefkoch der USS Voyager sein: Wenn die Vorräte auf der USS Voyager zu Ende gehen, sucht Küchenchef Neelix nach Planeten der M-Klasse, um neue Nahrungsmittel und Trinkwasser zu finden. Im Moment wissen wir noch nicht, wie das funktionieren soll, aber wir können mit den Grundlagen beginnen!
Dazu mussten wir uns intensiv in die Programmiersprache Python einarbeiten. Wir haben englischsprachige Blogartikel, Anleitungen und sogar Bücher gewälzt, um unser Experiment durchführen zu können.
Teil der AstroPi-Challenge sind immer wieder kleine Meilensteine an denen die Teams Zwischenergebnisse präsentieren müssen, um in die nächste Runde zu gelangen.
„Bei jedem Meilenstein, waren wir sehr gespannt ob wir das „Review“ bestehen werden. Nachdem uns von der ESA „flight status“ mitgeteilt wurde und wir sicher waren, dass unser Experiment auf der ISS durchgeführt wird, waren wir unglaublich glücklich, begeistert und erleichtert, dass die viele Arbeit und Extrastunden sich gelohnt haben!“
Manuel Kollus
Auf der ISS sah das dann im Zeitraffer in etwa so aus:
Auswertung
Unser Experiment zeigt, dass es prinzipiell möglich ist, Pflanzen aus dem Weltall zu detektieren. Durch die Speicherung allerlei Daten und der Bilder konnten wir auf der Erde weitere Analysen durchführen. Dabei haben wir viel über Bildanalyse gelernt. Außerdem sieht man, dass unser Programm noch Schwächen hat. Weiße Wolken führen es schnell in die Irre. Deshalb denken wir darüber nach, unser Programm um eine künstliche Intelligenz zu erweitern, der Wolken herausfiltert, bevor der Pflanzen-Detector das Bild analysiert, oder die den Bildanalyse-Modus ändert, was bedeutet, dass der Detektor eine aktive Anpassung für bessere Ergebnisse erhält.
Ein Teil der Mühen wurde durch die fantastischen Bilder aus rund 430 km Höhe bereits belohnt. Und wer kann schon behaupten über seine eigenen Bilder aus dem Weltall zu verfügen!
Am Abend, als wir den Zugang zu unseren Bildern erhielten schauten wir zur dritt gespannt die über 500 Bilder an. Parallel videotelefonierten wir in MS Teams und zeigten uns gegenseitig unsere Entdeckungen. Plötzlich waren wir alle Erdbilder-süchtig.
„Man bekommt eine gewisse Ehrfurcht, wenn man die Schönheit und Einzigartigkeit der Erde sieht und welchen Wert die Schöpfung für uns hat. Diese sollten wir unbedingt bewahren!
Lara Heinecke
Fazit
„Zurückblickend war das ein unglaublich motivierendes Projekt. Wir mussten unser Wissen aus Physik, Biologie, Englisch, Erdkunde, Technik & Informatik wirklich real anwenden und haben nebenbei noch ganz viel aus den Fächern gelernt, dass wir sonst nie erfahren hätten. Und bei all den Mühen machte es auch noch riesig Spaß!“
Lara Heinecke & Manuel Kollus